Eine ältere Dame – Dietmar Thönnes
– Dietmar Thönnes18. März 2020
Meine sehr geehrte Dame,
gerne würde ich Sie mit Namen ansprechen, kenne ihn aber nicht, weil ich Sie nur im Vorübergehen auf dem Flur des Gerburgis-Hospitals habe sitzen sehen. Sie haben still gelächelt. Das hat mich angerührt. Sie machten einen sehr zufriedenen Eindruck, obwohl Sie leicht vornüber gebeugt in einem Rollstuhl saßen und vermutlich auf eine Untersuchung warteten. In Ihren Händen haben Sie eine Kinderzeichnung gehalten, sicher von einem Enkelkind gemalt. Vielleicht wohnen Sie sogar in Nottuln und genießen es, eine so gute Geriatrie in Ihrer Nähe zu haben. Es ist für unsere Gemeinde, die ja wie fast alle Gemeinden in Deutschland immer älter wird, ein positiver Standortfaktor: Welche Gemeinde kann schon damit punkten, dass ältere Menschen professionell vor Ort so gut versorgt werden können?
Als sehr wertvoll empfinde ich das Zusammenleben von jüngeren und älteren Menschen, von Familien und Alleinlebenden. Junge Familien müssen wir unbedingt im Blick halten. Nicht nur was die Wohnsituation angeht, auch was Freizeit-, Sport- und Kulturangebote angeht, soll es für möglichst alle passen. Ich habe einige Familien kennen gelernt, die sich schwer tun in unserer Gemeinde, weil sie nicht zu denen gehören, die sich ein Einfamilienhaus leisten können. Das Angebot an sozial gefördertem oder preiswertem Wohnraum ist sehr überschaubar. Wenn wir als Gemeinde wieder den Ausbau und die Vermarktung von Wohnraum übernehmen, können wir das Angebot für Familien sicher deutlich verbessern.
Dass wir den Ortskern barrierefrei gestalten, passt in dieses Konzept und macht es einfacher, Kinderwagen, Rollatoren und Rollstühle bequem zu bewegen. Wäre es nicht wunderbar, wenn Sie mit Ihrer Tochter und deren Familie dort spazieren gehen, einen Kaffee trinken und unter grünen Bäumen flanieren könnten?
Sie machten auf mich einen insgesamt zufriedenen Eindruck. Ich kann mir aber vorstellen, dass es auch Ihnen gut täte, wenn Sie im Ort ein Angebot fänden, das es Ihnen leichter machte, in Kontakt zu kommen. Die Doppelkopfrunde in der Seniorenstube, kulturelle Angebote, Seniorensport – lauter Aktivitäten, an denen Sie trotz Ihrer Einschränkungen teilnehmen könnten.
Vor einigen Wochen erzählte mir eine Dame nach einem Blueskonzert, wie sie sich um Menschen kümmert, die wenig Geld haben und Unterstützung brauchen. Vielleicht müssen wir trotz allem ehrenamtlichen Engagement in diesem Bereich auch professionelle Unterstützung organisieren. Wenn unsere Gemeinde nicht nur klima- sondern in besonderer Weise auch familien- und seniorenfreundlich sein soll, dann sehe ich hier eine Aufgabe. Vielleicht würde es Sie freuen, wenn Sie aus dem Gerburgis-Hospital von einem Fahrdienst abgeholt würden, weil Ihre Kinder arbeiten. Und vielleicht würden Sie sich auch über das eine oder andere Mittagessen freuen, das Sie kostenlos mit Ihren Nachbarn und Freunden zusammen zu sich nehmen könnten…
Auch wenn wir uns nicht miteinander unterhalten konnten, bin ich froh, dass wir uns begegnet sind. Ich wünsche Ihnen alles Gute!
Es grüßt Sie
Ihr ergebener