Eine Frage des Stils

3. April 2021

„Ich kann mir vieles vorstellen – nur Politiker möchte ich nicht werden!“ – das habe ich bis vor zwei Jahren so behauptet… Zumindest zur Hälfte bin ich mir bisher treu geblieben, denn als Bürgermeister bin ich ja mit einem Teil meines „Berufes“ auch Leiter der Gemeindeverwaltung. Die andere Seite meiner Tätigkeit allerdings ist dann doch die Politik, die ich so lange abgelehnt habe. Warum eigentlich? Das fragte ich mich, nachdem ich in der letzten Woche in einer Begegnung darauf angesprochen wurde. Warum wird man Politiker? Etwas bewirken wollen, Zukunft gestalten, sich einsetzen und engagieren… Ja, das alles auch. Und trotzdem gibt es immer wieder diese Momente, in denen ich überlege, warum ich mich diesem manchmal unschönen Gezerre, diesen Anschuldigungen und derben Anfragen aussetze. Vielfach sind es Themen, die ganz automatisch mit dem Bürgermeister in Verbindung gebracht werden: Es sind die im Ton unverschämten Briefe, die jeden Anstand vermissen lassen, die Frage, warum man denn jetzt für einen Skaterpark Geld ausgeben soll oder warum der Bürgermeister in seiner kleinen Haushaltsrede denn – und da wird auch gleich Unkenntnis unterstellt – diese oder jene Aussage getroffen hat. Der Polit-Profil lässt solche Aussagen über sich ergehen und hat ein dickes Fell. Mir geht es manchmal (noch) anders. Die Balance zwischen Tun und Aushalten ist gelegentlich ein schmaler Grad. Wenig zu tun bedeutet in der Regel, wenig aushalten zu müssen. Mir scheint, dass angesichts mancher verbaler Auseinandersetzungen, der Stil des Miteinander-Umgehens ein sehr rauher ist. Ich persönlich bin eher nicht der „Verbal-Schläger“ und ich versuche lieber, mit Sachlichkeit und vielleicht einer Prise Humor auch schwierige Themen in den Griff zu bekommen, zu moderieren und einen Konsens zu finden. Das ist keine Harmoniesucht – mit mir kann man streiten. Und ich lasse mich oder fehlerhafte Aussagen auch korrigieren. Aber es kommt auch ein klares Ja oder Nein aus meinem Mund. „Das musst du als Politiker aushalten, nimm es nicht ernst!“ – Wenn ich solche Ratschläge höre, möchte ich sie nicht befolgen. Wie stillos ist es, sich einseitig und tendeziös zu äußern, Verantwortung für Vorgänge aus der Vergangenheit zuzuweisen oder die Haltung einer Fundamentalopposition einzunehmen. Das Schild „Dagegen“ ist schnell aus der Tasche geholt. Es gehört schon etwas mehr dazu, sich an einen Tisch einladen zu lassen, um zu diskutieren und um Auswege zu ringen. Wenn man die „große“ Politik anschaut, geht es uns in Nottuln ja noch gut, denke ich manchmal. Da möchte man sich über Stilfragen eher nicht äußern. Trotzdem bleibe ich dabei und lasse mich auch weiterhin emotional berühren, selbst wenn mich Äußerungen gelegentlich zur Gegenwehr animieren oder ich mich einfach nur ärgern. In jedem Fall kümmere ich mich weiterhin (in einem möglichst guten Stil) um Themen und bitte den „politischen Gegner“, (den ich im übrigen als parteiloser Bürgermeister „eigentlich“ nicht habe!) an den Tisch. Ganz gewiss wird es mir mit der Zeit leichter fallen, mich an „Politik“ zu gewöhnen. Aber möchte ich das? Nein. Wenn eben möglich, werde ich nicht zum „Politiker“. Ich möchte Mensch, erster Bürger, engagierter Leiter einer serviceorientierten Gemeindeverwaltung, Vorsitzender des Rates und Moderator politischer Diskussionen, Treiber von Themen, Ideen- und Impulsgeber und Lernender bleiben. Und ich bin zuversichtlich, dass es auf diese Weise gelingen kann, einen neuen Politik-Stil in Nottuln zu etablieren – mit Politiker:innen und Bürger:innen und allen, die sich „stilvoll“ engagieren!

Frohe Ostern!